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Drei Elemente auf einen Streich

Woher kommen das Sediment im Wattenmeer oder der Schlick im Hamburger Hafen? Wie verteilen sich Schadstoffe in der Umwelt? Fragen dieser Art können Wissenschaftler heute durch die chemische Analyse von beispielsweise Spurenelementen in Sediment- oder Wasserproben beantworten. Der HZG-Doktorand Tristan Zimmermann hat jetzt ein Verfahren entwickelt, das die Aufbereitung der Proben enorm beschleunigt.

Sedimentproben aus der Nordsee.

Sedimentproben aus der Nordsee. Foto: HZG / Daniel Pröfrock

Woher kommen das Sediment im Wattenmeer oder der Schlick im Hamburger Hafen? Wie verteilen sich Schadstoffe in der Umwelt? Fragen dieser Art können Wissenschaftler heute durch die chemische Analyse von beispielsweise Spurenelementen in Sediment- oder Wasserproben beantworten. Noch aber sind diese Verfahren oftmals extrem zeitraubend, weil die Proben für die Analyse mit großem Aufwand aufbereitet werden müssen. Der HZG-Doktorand Tristan Zimmermann hat deshalb ein Verfahren entwickelt, das die Aufbereitung der Proben enorm beschleunigt. Damit wird er zukünftig Forschern weltweit den Laboralltag erleichtern. Jetzt wurde seine Arbeit während einer wissenschaftlichen Tagung mit einem Preis ausgezeichnet.

Die Herkunft des Sediments

Wie kaum ein anderer Lebensraum ist das Wattenmeer ständig in Bewegung. Mit dem Wechsel von Ebbe und Flut werden Wassermassen gleichsam hin und her gepumpt. Der Wattboden wird fortgespült und an anderer Stelle abgelagert. Wenn bei einem Orkan die Brecher gegen die Küsten anrollen, werden Tonnen von Sediment aufgewirbelt und verfrachtet. Die Wissenschaftler des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht wollen diese Prozesse verstehen. Sie wollen herausfinden, woher das Material stammt, welche Wege das Material nimmt, wo es sich ablagert und wie diese Prozesse zur Verteilung von Schadstoffen beitragen.

Probennahme im Watt.

Probennahme im Watt. Foto: HZG / Ina Frings

Antworten liefern ihnen moderne, chemische Analysemethoden, mit denen die Wissenschaftler bestimmen können, wie viel von bestimmten Elementen zum Beispiel in einer Sedimentprobe aus dem Wattenmeer oder im Elbeschlick enthalten ist. „Im Grunde bestimmen wir mit diesen Methoden den Elementfingerabdruck einer Sedimentprobe, aus dem wir schon erste Informationen zur möglichen Herkunft sowie den Eigenschaften des Sediments erfahren“, sagt Daniel Pröfrock, Leiter der Abteilung „Marine Bioanalytische Chemie“ am Institut für Küstenforschung.

Isotope machen den Unterschied

Letztlich besteht jedes Sediment aus winzigen Pflanzenresten und Gesteinsbröckchen, die durch Verwitterung, den Regen oder durch Flüsse aus dem Gestein ausgewaschen werden. Das Gestein wiederum setzt sich je nach Alter und Entstehungsgeschichte aus bestimmten chemischen Elementen zusammen und hat damit ebenfalls eine Art chemischen Fingerabdruck. Zu den für die Geesthachter Wissenschaftler besonders interessanten Bestandteilen gehören in diesem Falle Elemente wie Blei, Neodym und Strontium. Alle drei zeichnen sich dadurch aus, dass sie in der Natur aus mehreren sogenannten stabilen Isotopen bestehen.

Als Isotope bezeichnet man jene Atome eines chemischen Elements, die sich in der Anzahl ihrer Neutronen unterscheiden und dadurch eine unterschiedliche Atommasse aufweisen. Vom Element Strontium zum Beispiel gibt es in der Natur vier stabile Isotope mit den Massen 84, 86, 87 und 88. Die relative Häufigkeit dieser vier Isotope unterscheidet sich in der Natur geringfügig und hängt von den geologischen und radioaktiven Prozessen ab, die im Laufe der Jahrmillionen an verschiedenen Orten unterschiedlich abgelaufen sind. Je nach Alter und Zusammensetzung eines Gesteins variieren die Gehalte einzelner Isotope also.

Damit trägt ein Gestein aufgrund seines Herkunftsorts auf der Erde einen ganz charakteristischen Isotopen-Fingerabdruck. Untersucht man die Bestandteile des Sediments im Wattenmeer, kann man auf diese Weise beispielsweise erkennen, ob das Sediment aus dem Einzugsgebiet der Elbe stammt oder über andere Flusssysteme herantransportiert wurde.

Zeitraubende Vorbereitung

Dr. Daniel Pröfrock bei der Aufbereitung von Proben im Labor.

Abteilungsleiter Dr. Daniel Pröfrock bei der Aufbereitung von Proben im Labor. Foto: HZG / Ulrike Kleeberg

Das Problem: Da die Isotope von Blei, Neodym und Strontium in Sedimentproben nur in winzigen Mengen enthalten sind, ist die Analyse extrem aufwendig – vor allem die Vorbereitung der Proben. Die Wissenschaftler müssen besonders sauber arbeiten und die verschiedenen chemischen Elemente exakt voneinander trennen, um die extrem kleinen Unterschiede in der Isotopenzusammensetzung richtig bestimmen zu können. Denn lösen sie nur einen Teil der gesuchten Elemente aus der Probe, werden die Isotopenverhältnisse nicht akkurat bestimmt.

Etabliert ist ein Verfahren, bei dem in mühevoller Handarbeit im Labor die Isotope der verschiedenen chemischen Elemente von den restlichen störenden, in der Probe enthaltenen Elementen Schritt für Schritt getrennt werden. Dazu wird die Sedimentprobe zunächst mit Säuren verflüssigt. Anschließend wird die Flüssigkeit in kleine Reagenzgläser pipettiert. Darin befinden sich sogenannte Ionentauscher-Harze, an die sich die verschiedenen Elemente aus der Probenlösung binden. Die störenden Elemente werden durch Zugabe unterschiedlicher Reagenzien nach und nach abgetrennt.

Bislang muss diese Trennung für Blei, Neodym und Strontium aber separat durchgeführt werden, weil sie sich nicht in einem Rutsch im Dreierpack von den übrigen Elementen separieren lassen. „Diese Probenvorbereitung ist so aufwendig“, sagt Tristan Zimmermann, Doktorand in der Abteilung von Daniel Pröfrock „dass eine Person an einem Tag nur etwa 20 Proben bearbeiten kann.“

Drei Elemente gemeinsam herausfischen

Um diesen Arbeitsschritt zu erleichtern, hat Tristan Zimmermann jetzt ein neues Verfahren entwickelt, mit dem die Proben deutlich schneller aufbereitet und die Istope der gewünschten Elemente automatisch voneinander getrennt werden. Der dafür benötigte Automat ist seit kurzer Zeit auf dem Markt kommerziell erhältlich. Doch musste Tristan Zimmermann den Apparat zunächst für seine Zwecke fit machen.

Aktuell arbeitet er in der Abteilung „Marine Bioanalytische Chemie“ vor allem an den Elementen Blei, Neodym und Strontium. Wie erwähnt muss die Probenaufbereitung und Abtrennung der Isotope von jedem dieser drei Elemente einzeln per Hand durchgeführt werden. Zimmermann aber ist es jetzt gelungen, die Trennung in einem Schritt ablaufen zu lassen. Er setzt dafür ein spezielles Ionentauscher-Harz ein, das bislang vom Hersteller eigentlich nur für die Abtrennung von Strontium-Isotopen angeboten wird. Wie Zimmermann feststellte, ermöglichen es die chemischen Eigenschaften des Ionentauscher-Harzes jedoch, alle drei gewünschten Elemente zugleich aus einer Sedimentprobe herauszufischen. „Durch Zugabe verschiedener Säuren mit unterschiedlichen Säurestärken kann man anschließend die Isotope der Elemente Blei, Neodym und Strontium nacheinander von dem Ionentauscher herunterlösen und so voneinander trennen“, sagt Zimmermann.

Preiswürdiges Verfahren spart Zeit

Danach werden die aus der Probe abgetrennten Elemente dann getrennt voneinander in einem anderen Gerät, dem Element-Massenspektrometer, auf den Gehalt ihrer verschiedenen Isotope untersucht. Insbesondere bei umfangreichen Umweltstudien ist die Probenvorbereitung der limitierende Faktor. Durch die Arbeit von Tristan Zimmermann aber kann der Zeitaufwand für die Probenvorbereitung künftig enorm verkürzt werden. Zum einen, indem er mit einem einzigen Arbeitsschritt die Isotope der Elemente Blei, Neodym und Strontium aus einer Probe herausfiltert. Zum anderen, indem es ihm gelungen ist, diesen Prozess automatisiert ablaufen zu lassen.

HZG-Doktorand Tristan Zimmermann bei der Probennahme in der Elbe.

HZG-Doktorand Tristan Zimmermann, der Entwickler des neuen Verfahrens, bei der Probennahme in der Elbe. Foto: HZG / Daniel Pröfrock

„Das neue Verfahren dürfte künftig die Arbeit in vielen Analyselabors weltweit deutlich vereinfachen, weil es unzählige Stunden an Probenvorbereitung einsparen wird“, sagt Daniel Pröfrock. So überrascht es nicht, dass die Arbeit von Tristan Zimmermann kürzlich bei einem Treffen von Analytikexperten und Massenspektrometrie-Anwendern mit einem Preis für das beste Poster geehrt worden ist. Dieses Treffen wird von der Deutschen Gesellschaft für Massenspektrometrie (DGMS) alle zwei Jahre veranstaltet und von gut 150 Fachleuten aus der Industrie und der Forschung besucht. Das prämierte Poster mit dem Titel „Optimization of a new fully-automated sample preparation system for isotopic analysis of sediment digests via MC ICP-MS“, das in Kooperation mit Kollegen der Universität für Bodenkultur in Wien entstanden ist, wurde von der Firma Tofwerk mit einem Sachpreis ausgezeichnet.

Die Historie der Umweltverschmutzung

Auch in den HZG-Labors wird Zimmermanns neue Methode die Arbeit wesentlich erleichtern. Neodym und Strontium sind jene Elemente, an deren Isotopen-Zusammensetzung sich die Herkunft von Sedimenten besonders gut ablesen lässt. Die Blei-Isotope wiederum sind besonders geeignet, um die vom Menschen verursachte Umweltverschmutzung zu erforschen. Hierbei machen sich die Forscher zunutze, dass Blei je nach Herkunft eine charakteristische Isotopen-Zusammensetzung aufweist. Blei-Isotope im Sediment können demnach Hinweise liefern, ob es sich bei den gemessenen Werten um den natürlichen Untergrund handelt oder um Verschmutzungen, die durch Aktivitäten des Menschen in die Umwelt gelangt sind.

So kann man beispielsweise auch Blei aus Autoabgasen nachweisen, das vor wenigen Jahrzehnten noch dem Benzin beigemischt wurde. „In ruhigen Alt-Armen von Flüssen, die den Strömungen kaum ausgesetzt sind, findet man oft säuberlich geschichtete Sedimente, die recht alt sind, und an denen man dann entsprechende Entwicklungen rekonstruieren kann“, sagt Daniel Pröfrock. „Wenn wir zugleich das Alter der Schichten bestimmen, können wir exakt feststellen, zu welcher Zeit das Blei in die Umwelt gelangt ist – zum Beispiel zu Beginn der Industriellen Revolution.“ Dank der neuen Methode von Tristan Zimmermann werden die HZG-Wissenschaftler ihren Sedimenten künftig noch sehr viel schneller wichtige Informationen entlocken können.

Text: Tim Schröder, Wissenschaftsjournalist

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